Der Stratege - Der Buchtipp

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Seite 1/25

Der Buchtipp: "Die Geächteten" Ernst von Salomon

von Granit

ISBN-13: 9783905937350
Quelle: Amazon
Erstauflage: 1930 (Berlin)

Wenn es uns deutschsprachigen Taktik- und Strategiespielern heutzutage in den Sinn kommt, die Geschehnisse des frühen 20. Jahrhunderts zu hinterfragen und wie es in Zentraleuropa zu den Ereignissen kommen konnte, die es in positiver sowie negativer Art in die Geschichtsbücher schafften, so mag in dem Buch des Ernst von Salomon namens "Die Geächteten" zwar keine Erklärung, aber ein gewisses Nachvollziehen eines dort schildernden Zeitzeugen stehen. Ernst von Salomon, Jahrgang 1902, schildert in seinem Roman über die Revolutionsjahre in Deutschland und seine Erfahrungen innerhalb eines Freikorpes autobiographisch das Erlebte. Als "weißer Jahrgang", zu jung, um am Großen Krieg teilzunehmen und doch schon Kadett einer Militärschule, ereilt ihn die Kapitulation des Landes überraschend, auch wenn er als Jugendlicher in gewisser Art mit der rotrevolutionierenden Bewegung der Matrosen erstmals symphatisiert.
Das heimkommende, ungeschlagene Heer und wie es durch sein Heimatstädtchen zieht, offenbart ihm eine andere Realität, die er fern von den damaligen Revolutionsgedanken des Jahres 1918, die russische Revolution war da gerade im vollen Gange, aber auch fern von den verstaubten Ansichten eines gerade im Untergang begriffenen aristokratischen Klassensystems des deutschen Kaiserreiches wahrnimmt.
Das deutsche Volk, hungernd, kriegsmüde und verraten von sozialistischen Politikern, war gerade dabei den an der Front stehenden Verbänden einen Dolch in den Rücken zu stoßen. Ernst von Salomon meint in den heimkehrenden Soldaten den wahren Begriff der Heimat und all der von ihr ersehnten Werte neben Hoffnungen zu erkennen, denn sie waren es auch, die seit vier Jahren dem Feind an allen Fronten unter schweren Verlusten zwar, aber auch erfolgreich trotzten. Als Stück für Stück die Punkte des gerade ausgehandelten Diktates von Versailles mitsamt übertriebener Bedingungen bekannt werden und auch noch französische Truppen Westdeutschland besetzen, Forderungen über Forderungen der Alliierten eintreten, ist dies ein nicht nur für die Bevölkerung herber Schlag. Ein gedemütigtes Volk, Ungerechtigkeit und der Hass auf das nichtstuende Bürgertum einer alten Zeit veranlassen den späteren Schriftsteller einem der unter Waffen gebliebenen Freiwilligenverbände, in alter Tradition Freikorps genannt, beizutreten.
 Seine Einheit wird in Richtung Osten gesandt und kämpft gegen die polnischen Aufständischen, welche die deutsche Bevölkerung in den von ihnen beanspruchten Gebieten bedrohen. In dem Buch "Die Geächteten" wird nicht nur der Aktionismus des Freiwilligen Ernst von Salomon und sein Handeln beschrieben, ferner findet dies in einem geschichtlichen Rahmen statt, in jenem man von der Schwarzen Reichswehr, der Organisation Consul, den politischen Verbanquespiel eines Rathenaus und Erzbergers sowie Noskes erfährt. Eine literarische Beschreibung der Geschehnisse der bewegten Jahre 1918 bis 1925, sei es im umkämpften Baltikum, in Schlesien oder im Deutschen Reich selbst, freie Gebeite und besetzte Gebiete im nationalen Untergrundkampf um Selbstbestimmung, kennzeichnen diesen Zeitzeugen- und Tatsachenbericht aus der Sicht eines jungen Menschen jener Tage. Hier wird auch die innerdeutsche Sichtweise einleuchtend wiedergegeben, etwa in geführten Dialogen mit Kameraden wenn es um die Zukunft Deutschlands geht. Auch kommen viele Grauschattierungen zu Tage, etwa wenn der biographische Protagonist während des Kapp-Putsches in Berlin auf nationaler Seite erfährt, wie viele seiner Waffenbrüder Mitglied bei der SPD sind, oder es werden die großen Zusammenhänge auf internationaler Ebene deutlich, wenn Großbritannien Truppen in Murmansk landen läßt, Frankreich die polnischen Aufständischen ausrüstet und weiße und rote russische Truppen sich im Wirrwarr des Baltikums mal auf diese, mal auf jene Seite schlagen. Mittendrin ein junger Ernst von Salomon, der ungeschönt die Dinge jener Zeit in diesem Buch beschreibt, ob in einem zu räumenden Arbeiterwohnhaus oder in Weimar, beim Bewachen der Nationalversammlung oder einfach die ersten durchlebten Kampfhandlungen.

Der Stratege - Ausgabe 1/13 Der Buchtipp Titelbild

 

Berühmte Personen die der Autobiograph treffen konnte, um nur wenige zu nennen wie Schlageter, der später von den Nationalsozialisten heroisiert wurde, neben einem Freikorpskommandeur Erhardt, der eben wegen diesen später ins Exil nach Ungarn flüchten mußte. So vielfältig und nahegehend dieses Buch auch ist, so verhaftet ist es auch in dieser Zeit des Umbruches, den die damals lebenden Menschen auch als jene erkannten. Während des Lesens ist das Ende und das Ergebnis des Ringens der verschiedensten Kräfte noch offen und kann keineswegs, wie oftmals mit der Arroganz der Generation die viele Jahrzehnte später geboren wurde, die behauptet, das Werk als Wegbereiter für irgendwas zu betrachten. Für geschichtsinterressierte Menschen, die einen Einblick in die richtungsweisenden Tage der frühen Zwischenkriegszeit gewinnen wollen, ist dieses Buch ähnlich den frühen Werken des Ernst Jüngers Pflichtlektüre mit unterhaltendem sowie aufklärenden Charakter.

Der Stratege - Ausgabe 1/13 19.01.2013
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